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Ein Segeltörn und mein Warum

Mit Abstand kommen wir uns näher. Manchmal völlig überraschend. Ich darf schon viele Jahre Menschen auf ihren "Törns" begleiten, hin und wieder mit mächtig Sturm. Es war schön so unerwartet wieder zu spüren, woher die Begeisterung kommt, was mich antreibt und zu immer neuen Ideen führt.  So ist es mir neulich passiert. Ich habe Lust davon zu erzählen.

 

Neulich saß ich abends auf einem 14-m-Segelschiff und segelte doch tatsächlich dem Sonnenuntergang auf der Ostsee entgegen. Wer mich kennt weiß, dass ich wenig „kitschig“ veranlagt bin. Jedoch – der Zauber des Moments hatte mich! Es war nicht nur schön, den Duft der Ostsee zu riechen, dem Flattern des riesigen Focks zu lauschen, die Abendsonne leuchten zu sehen und die selbstverständlichen Handgriffe des bärigen Captains zu beobachten. Auch den wohltuenden Wind zu spüren. Ich staunte darüber, wie elegant ein massiver Schiffskörper durch die Urgewalt Wasser gleitet. Das Alles im Zusammensein mit liebsten Menschen, die, wie ich, einfach diesen langen Moment der Auszeit im Alltag genossen, machte es rund.

 

Ich bin Nicht-Seglerin. Und kann nun etwas nachvollziehen, warum so Viele es lieben. Doch – ich will hier nicht weiter übers Segeln fabulieren. Sondern über das, was es in mir triggerte: Das perfekte Zusammenspiel von dem, was die Natur anbietet (Ressourcen) und was ein Mensch, der sie achtet und versteht, zu seinem Werkzeug macht (effektiv handeln). In Verbindung mit Technik, damit Alles zum Besten geschieht (Können für sinnvollen Gewinn). Mit einem Ergebnis oder besser Erlebnis, das die Sinne stimuliert, den Geist aufatmen lässt und Bewusstheit für den Moment abfordert. Dieses Erlebnis könnte beim nächsten Mal gänzlich anders aussehen. Dann nämlich, wenn statt Sonne Regen, leichtem Wind Sturm oder einem 14m-Segelboot eine Jolle den Rahmen bilden würden. Der Captain allerdings, würde nichts anders machen. Wohl aber andere Ecken seines Könnens und seiner Erfahrungen aktivieren. Situativ das Gegebene zu veredeln, das muss ein Segler drauf haben.

 

Unser Captain von gestern Abend verstand es, die Gegebenheiten und seine Werkzeuge mit Leichtigkeit - wie im Flow - zu nutzen und seinen vier Gästen dabei gebührende Aufmerksamkeit und echtes Interesse zu schenken. Wir haben die Vielzahl der kleinen Abwägungen und Handgriffe lediglich als fließendes Ganzes vernommen, das uns am Ende strahlend danken ließ: Es waren überraschende Stunden, und wir gehen leichter und klarer von Board, als wir nach einem hektischen Alltag gestartet sind. Dabei wollten wir doch nur Mitsegeln!

 

Beim Wegdämmern in die Nachtruhe schob sich noch ein letzter Gedanke vor meinen Tiefenschlaf: Ich liebe meine Arbeit als Coach. Sehr! Sie hat viel mit dem zu tun, was ich abends auf der Ostsee erlebte und beobachtete. Ja, ich fühle mich tatsächlich mit allen Sinnen der Begleitung von Menschen hingezogen.

 

Sturmwarnung oder glühendes Hoch – ein Coach muss sauber geeicht sein

 

Doch was genau ist es, das mich nach Jahren nicht nur immer noch, sondern zunehmend fasziniert an meinem Beruf? Es ist dieses tanzende Zusammenspiel von neugierig-sein-dürfen, Anwenden von Können für berufliches und persönliches Wachstum und vor allem: dem Echt-sein in meiner Rolle als Weggefährtin. Dieser Dreiklang (und ja, es gehört noch etwas mehr dazu) lenkt meine Rolle als Prozessbegleiterin für die Menschen, die mit mir arbeiten mögen, immer. Beim Coaching geht es oft darum zu entdecken: „Was habe ich an Board, um zu bewirken, dass mein Fortkommen sinnvoll unterstützt werden kann?“ Die konkreten Fragestellungen, die sich um dieses Grundsatzthema drehen, bilden beeindruckend viele Facetten menschlicher Unsicherheiten, Schicksale und Anforderungen ab. Unabhängig davon, ob Mann oder Frau, 25 oder 62, Führungskraft oder Student, angestellt oder selbständig. Und was ich besonders reizvoll finde ist die Tatsache, dass – auch mit einem großen Erfahrungshorizont – jede Begegnung mit einem Klienten/einer Klientin einen Überraschungseffekt mit sich bringen kann. Dann bin ich, wie der Captain des Segelschiffes, gefordert, situativ das Gegebene zu veredeln. Dazu ein konkretes Beispiel:

 

Überraschungsmanöver sind besonders reizvoll

 

Seit fast sechs Monaten begleite ich eine Klientin in 2-4-wöchigen Abständen. Sie kam zu mir mit dem Ziel, ihre Führungsrolle zu definieren und zu stärken. Im Laufe des Prozess fand sie heraus, dass es tatsächlich gar nicht ihrem eigenen Wunsch entspricht. Sie entdeckte u. a. ihre Glaubenssätze und versuchte hart daran zu arbeiten. Fiel immer wieder zurück (es braucht eben Zeit). Schließlich zog sie gar in Erwägung, dass eine therapeutische Begleitung zum Coaching hilfreich sei, was meine Hypothese bestätigte. Nach der vorletzten Session war ich in der seltenen Situation den Eindruck zu haben, dass unser Coaching vorläufig beendet werden sollte. So ging ich in die folgende Sitzung mit der Absicht, ein Abschlussgespräch vorzuschlagen; nicht ohne das Angebot auszusprechen, zu einem späteren Zeitpunkt neu zu beginnen.

 

Ruhiges Gewässer. Sonnenuntergangsstimmung. Laue Segel. So meine Annahme.

 

Die Klientin begrüße mich mit den Worten: „Es hat lange gedauert. Nun hat es Klick gemacht!“

 

Wellenschlag. Der Himmel riss auf. Windböen. 15 Grad mehr Temperatur im Raum.

 

Diese beeindruckende Frau erzählte von ihren Erkenntnissen, von einer überraschenden Klarheit und von dem, was sie wirklich für sich erreichen möchte. Sie hat in dieser Sitzung ein völlig neues, stimmiges Ziel für ihre weiteren Schritte herausgearbeitet. Die Seeroute war klar.

 

Gänsehaut.

 

Eintrag ins Logbbuch

 

Und wieder die Faszination, was eine Begleitung, die alles zulässt und konsequent die Lösung bei den Klienten lässt, ermöglicht. Dabei geht es mir tatsächlich nicht um die Freude am Helfen. Vielmehr ist es dieser Spannungsbogen und das elegante Zusammenspiel einer gegebenen Situation, Werkzeugen oder Instrumenten (die ich mittlerweile kreativ und intuitiv anwende) und dem Vertrauen, dass es zum Besten wächst, das gerade möglich ist.

 

Als Coach bin ich dann im Flow. Gemeinsam mit denen, die sich mir anvertrauen.

 

Ja, dies ist eine Liebeserklärung an meinen Beruf. Und ein Kompliment an Alle, die sich entschließen, an ihrer persönlichen Weiterentwicklung zu arbeiten. Denn das ist unbequem.

 

Was liebst du an deinem Beruf?

 

Ahoi und herzliche Grüße,

Cornelia

 

 

Titelfoto: bobby-burch-319840-unsplash